Im Zess – Zentrum für stationäre Schwerstpflege in Burghausen weht ein frischer, neuer Wind

Mit Franz Grefenkamp hat das „ZesS – Zentrum für stationäre Schwerstpflege“ in Burghausen seit Dezember 2018 einen neuen, kompetenten und motivierten Geschäftsführer, der weiß, worauf es in der außerklinischen Intensivpflege ankommt, da er selbst viele Jahre lang als Fachpfleger tätig war. Höchste pflegerische Qualität und die Gewinnung neuer Pflegefachkräfte haben für ihn aktuell höchste Priorität.
GD: Wie sind Sie Geschäftsführer dieser stationären Einrichtung geworden?
Grefenkamp: Ich bin gebürtiger Niedersachse und da ich mit 18 Jahren dort keinen Ausbildungsplatz in der Krankenpflege bekommen habe, bin ich 1983 ins tiefste Ruhrgebiet – nach Recklinghausen-Süd – gezogen. Am dortigen Elisabeth-Krankenhaus habe ich drei Jahre lang meine Ausbildung gemacht. Meinen ersten Kontakt mit der intensivpflegerischen Versorgung von Menschen hatte ich dann während meines Zivil-dienstes. Anschließend habe ich als Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin im Krankenhaus gearbeitet. Eigentlich wollte ich auf der Intensivstation tätig sein, da dort keine Stelle frei war, bin ich in der Anästhesie gelandet, wo ich viele Jahre lang gearbeitet habe. Mit intensivpflegerischen Fragen hatte ich dort immer wieder zu tun, da es viele Überlappungsbereiche dieser beiden Gebiete gibt. Ich habe mich im Bereich der Intensivanästhesie weiterqualifiziert, einen Leitungskurs im mittleren Management absolviert, die Qualifikation zur Pflegedienstleitung abgeschlossen und später an der Hochschule in Osnabrück Pflege- und Gesundheitsmanagement studiert. Anschließend war ich wieder in der Praxis tätig und war Pflegedienstleiter in einem kleinen Krankenhaus bei Oldenburg. Im Norden fühlte ich mich jedoch privat nicht wohl und bin deshalb ins Ruhrgebiet zurückgekehrt, wo ich bei einem ambulanten Pflege-dienst gearbeitet habe, der in den 1990er Jahren schon 600 – 700 Klienten hatte. Das war mein erster Kontakt zur ambulanten Pflege. Ich war dort für das Qualitätsmanagement und die Organisationsentwicklung zuständig. Die außerklinische Intensivpflege, wie wir sie heute kennen, gab es noch nicht in dieser Form, das etablierte sich erst nach und nach. Ich war dann freiberuflich in der ambulanten Intensiv- und Anästhesiepflege und parallel dazu als Dozent u.a. für Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung tätig. Während meiner freiberuflichen Zeit hatte ich immer wieder Einsätze als Interimsmanager in der Pflege und dadurch bin ich in
Bayern gelandet. Das hätte ich mir früher nie vorstellen können und habe immer gesagt, dass ich nie nach Bayern gehen würde! Aber es kam ganz anders. Ich wollte mich beruflich noch einmal verändern und genau in dieser Umbruchphase kam die Anfrage von der Deutschen Fachpflege Gruppe, ob ich mir vorstellen könne, Geschäftsführer des ZesS in Burghausen zu werden. Ein Glücksfall zum richtigen Zeitpunkt!
GD: Was begeistert Sie am Pflegeberuf?
Grefenkamp: Zugewandte Persönlichkeiten, die Menschen in Krankheit und Gesundheit unterstützen und die ein humanistisches Weltbild leben, sind in diesem Beruf genau richtig und können viel bewegen. Es bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, weitere Qualifikationen zu absolvieren und sich fachlich weiterzubilden. Heute gibt es ein großes Weiterbildungsangebot und ist es möglich, zu studieren, das gab es in den 1980er Jahren, als ich meine Ausbildung absolviert habe, zunächst nicht. Hierfür ist Durchhaltevermögen gefragt. Als Pflegekraft wird man nicht unbedingt reich, aber es ist erfüllend. Ich würde heute, wenn ich nochmal entscheiden müsste, welchen Weg ich einschlage, ganz sicher wieder in die Pflege gehen.
GD: Was ist das Besondere am ZesS?
Grefenkamp: Das ZesS ist u.a. eine stationäre intensivpflegerische Einrichtung, die seit 2006/07 besteht und aktuell 79 Bewohnerplätze bietet. Hier sind ca. 80 Mitarbeiter*innen tätig. Es gibt drei unterschiedliche Versorgungsarme: Die Beatmung, die Phase F, dort pflegen wir Menschen, die schwer neurologisch erkrankt sind z.B. nach einem Schlaganfall, Hirnblutungen oder schwersten traumatischen Ereignissen und als dritte Versorgungsart bieten wir die konventionelle Altenhilfe an. Das ZesS zeichnet sich dadurch aus, dass es eine kleine, überschaubare Einrichtung ist, die mit diesem Portfolio etwas Besonderes bietet. Auch innerhalb der Deutschen Fachpflege Gruppe, da wir neben dem Kinderhaus Luftikus die einzige stationäre Einrichtung sind. Hier zu arbeiten macht mir sehr viel Spaß und es ist eine echte Herausforderung, aber ich habe ein tolles Team! Im Januar 2019 habe ich die erste Mitarbeiterversammlung gemacht, so etwas hat unter der früheren Leitung jahrelang nicht stattgefunden. Dabei habe ich sofort gespürt, dass wir etwas bewegen können. Die Mitarbeiter*innen sind hochmotiviert und haben Lust, dass wir gemeinsam eine neue Betriebskultur leben. Aktuell sind wir auf der Suche nach Pflegefachkräften, um die derzeit noch nicht genutzten Ressourcen – sprich die freien Betten, die wir nicht belegen können – auch tatsächlich nutzen zu können. Bewerber*innen sind bei uns sehr herzlich willkommen und können sich auf ein sympathisches Team freuen! Ich muss ehrlich sagen, dass das ZesS hinsichtlich der Organisations- und Personalentwicklung in den letzten Jahren stiefmütterlich behandelt wurde. Das hat sich im gesamten Unternehmen bemerkbar gemacht. Ich möchte hier mit den Mitarbeiter*innen eine andere Kultur leben und es ist uns in den letzten Monaten gelungen, dass hier ein frischer Wind weht.
GD: Welche Wege der Mitarbeitergewinnung gehen Sie aktuell?
Grefenkamp: Wir gehen gerade alle Wege, die konventionellen wie auch die unkonventionellen, um potentielle Mitarbeiter*innen anzusprechen und für das ZesS zu gewinnen. Was das Recruiting betrifft, hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Die klassische Stellenanzeige in der Tageszeitung spielt dabei kaum noch eine Rolle. Wir probieren Neues aus: Über die sozialen Medien erhöhen wir unsere Bekanntheit und – was ich zunächst gar nicht erwartet hätte – stoßen dabei auf Interesse. Ich freue mich sehr, dass wir eine Mitarbeiterin haben, die eine Affinität für die sozialen Netzwerke hat und sich für das ZesS engagiert. Daneben setzen wir auf das Prinzip Mitarbeiter werben Mitarbeiter. Ich habe den Eindruck, dass auch das vielversprechend ist.
GD: Gibt es schon ein Erlebnis in Ihrer bisherigen Zeit im ZesS, das Sie stets in besonderer Erinnerung behalten werden?
Grefenkamp: Ja, hier leben Klient*innen verschiedenster Altersgruppen von 40-jährigen bis zu sehr alten Menschen. Wir haben eine junge Klientin, die durch einen Herpesvirus, die Auflösung des Gehirns erfährt, wenn ich sie sehe, rücken viele andere Problemen in den Hintergrund. Alltagsprobleme relativieren sich und der Blick für die wesentlichen Dinge im Leben wird geschärft. Ich finde es immer wieder bemerkenswert, wie die Kolleg*innen mit dieser Patientin umgehen. Sehr professionell und zugleich sehr empathisch. Das beeindruckt und berührt mich immer wieder.
GD: Wie sieht Ihre Zukunftsvision für das ZesS aus?
Grefenkamp: Gegenwärtig ist das ZesS eine Art Start-Up. Aus der Vergangenheit der Einrichtung hat es sich ergeben, dass wir hier in vielerlei Hinsicht einen Neuanfang gewagt haben, u.a. auch hinsichtlich der Qualitätsentwicklung und des Managements. Ich könnte mir vorstellen, dass wir Teilbereiche, die wir als stationäre Einrichtung im Portfolio haben, weiter ausbauen oder bezüglich der Wohnbereichsorganisation noch einmal umstrukturieren. Ich könnte mir vorstellen, das Angebot des ZesS ́ irgendwann in Richtung Kurzzeit- oder Tagespflege zu erweitern, aber all diese Überlegungen lassen sich nur realisieren, wenn genügend Personal da ist. Das ist der ganz entscheidende Faktor. Wenn sich so etwas realisieren ließe, dann wäre das eine klasse Sache!
GD: Zum Schluss noch eine eher persönliche Frage: Wie fühlen Sie sich als Norddeutscher in Oberbayern?
Grefenkamp: Ich habe mich am Anfang schwergetan. Ich habe so lange im Ruhrgebiet gelebt und gearbeitet, das hat mich natürlich geprägt. Im Ruhrgebiet ist der Umgangston rauer, immer sehr direkt und geradeheraus, aber herzlich. In Bayern ist die Art der Kommunikation anders, ich habe eine Weile gebraucht, aber inzwischen bin ich angekommen und fühle mich hier sehr wohl.
Das Interview führte Dr. Lena Panzer-Selz. Es erschien in der GD 45/Juli 2019